Erst kürzlich hat der Kabarettist Philip Weber in Oberschleißheim das Thema „Tempolimit“ aufgegriffen. Warum ist das so ein hartnäckiges Thema?
Auf den ersten Blick erscheint es einfach, ohne Mehrkosten einen positiven Effekt zu haben für Klima und Sicherheit. Auf den zweiten Blick ist es aber ein typisches Beispiel einer Symbolpolitik mit geringem Effekt. Weil man die großen Fragen nicht lösen kann, beschäftigt man sich mit den unwichtigen kleinen. Wie z.B. auch der Autobahnmaut für Ausländer.
Klar ist: Am meisten wird CO2 gespart, wenn der Verkehr gleichmäßig mit einer mäßigen Geschwindigkeit dahinfließt. Bei einem Verbrenner wäre das beim maximalen Drehmoment im höchsten Gang. Die größte Leistungsfähigkeit einer Straße ergibt sich bei freier Strecke bei einer Geschwindigkeit unter 80 km/h, aber es gibt auch das Interesse möglichst schnell sein Ziel zu erreichen. Interessanterweise wird ein umso strengeres Tempolimit gefordert, je weniger derjenige die Autobahn selbst benutzt. Außer Acht bleiben also diejenigen, die frühmorgens oder spätabends unterwegs sind und sich durchaus freuen, wenn sie eine halbe Stunde weniger auf der Straße verbringen (Nürnberg-München = 150 km, mit Tempo 180 in 50 min, mit 120 aber 75 min). Und diese Personen sind nicht wesentlich für die CO2-Bilanz.
Gesamtgesehen führt ein Tempolimit 120 zu einer Einsparung von ca. 2,6 Mio. t CO2 je Jahr“.( https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-06-15_texte_38-2020_wirkung-tempolimit_bf.pdf, Seite 27). Rechnet man das auf 83 Mio. Einwohner in Deutschland um, betrüge die Einsparung durch Tempo 120 je Einwohner ca. 31 kg pro Jahr. Der Durchschnittsausstoß in Deutschland liegt bei 7,75 t jährlich je Einwohner ( https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167877/umfrage/co-emissionen-nach-laendern-je-einwohner/ ). Die Reduktion des CO2-Ausstoßes durch die Maßnahme „Tempo 120“ würde somit 0,4 % betragen. 31 kg CO2-Einsparung kann man z. B. auch erreichen, wenn man 180 km Fahrrad statt Auto fährt (https://www.adfc-bw.de/radzurarbeit/einspar-rechner/, Annahme: Benzinverbrauch von 8l/100km).
Deutlich weniger klar ist das Unfallrisiko. Auf 13141 km Autobahnen wurden im Jahre 2018 bei Unfällen 424 Menschen getötet, auf den 216700 km sonstigen Straßen 1867, innerorts 984 Personen. Ohne die gefahrenen Personen-km sind diese Zahlen aber kaum vergleichbar. Wenn man dies korrekt bezieht, ergibt sich pro Mrd Fahrzeugkm insgesamt auf allen Straßen 4.4 Getötete und 527 Verletzte, für die Autobahnen hingegen nur 1.7 Getötete und 132 Verletzte. (Quelle: Verkehr in Zahlen 2019, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur)
Das statistische Bundesamt schreibt dazu: „Im Jahr 2018 sind bei Unfällen auf den deutschen Autobahnen 424 Menschen ums Leben gekommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, war nicht angepasste Geschwindigkeit für 196 beziehungsweise 46 % der Autobahn-Verkehrstoten mitverantwortlich. Auf Abschnitten ohne Tempolimit war unangepasste Geschwindigkeit bei 45 % der Verkehrstoten eine Unfallursache (135 von 301 Unfalltote), bei Streckenabschnitten mit Geschwindigkeitsbegrenzung bei 50 % der tödlich Verunglückten (61 von 123 Unfalltote). Insgesamt starben 71 % der Todesopfer auf Autobahnen auf Strecken ohne Tempolimit. Allerdings liegt laut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) auch der Anteil von Strecken ohne Geschwindigkeitsbegrenzung am gesamten Autobahnnetz bei 70 %, was den hohen Anteil der Unfalltoten auf Strecken ohne Tempolimit relativiert.“
Es ist nicht akzeptabel, wenn bei schlechter Sicht oder dichtem Verkehr einzelne mit hoher Geschwindigkeit durchfahren. Aber wenn die Straße leer ist? Sind da nicht dynamische Geschwindigkeitsregelungen sinnvoller?
Immer wieder wird auf das Ausland verwiesen, wo es ja überall Beschränkungen gibt. Das ist für sich allein kein zwingendes Argument. Aber wenn man nach Amerika schaut, dann fahren dort auch die LKWs mit einer höheren Geschwindigkeit und man darf sich seine Fahrspur frei aussuchen. Prof. Heinz Zackor aus Kassel hatte mal gesagt, dass so etwas in Deutschland nicht durchsetzbar sei. Also ist bei uns irgendetwas anders als in anderen Ländern?
Tempolimits auf Autobahnen sollten daher berücksichtigen:
- Wetterbedingungen und Verkehrsstärke (Unfallrisiko)
- Verstetigung des Gesamtverkehrs für LKW und PKW (CO2-Bilanz)
- Feste Werte abhängig von der Anzahl der Fahrspuren (Sinnhaftigkeit)
- Die zunehmende Verbreitung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen
Sich angesichts dieser Fragen nicht für ein Tempolimit einzusetzen, zeugt nicht von Ignoranz, sondern im Gegenteil von einer klaren Bewertung der Wichtigkeit und Effizienz von Maßnahmen für alle Beteiligten,