Des Kaisers neue Kleider – Masken, App und Mehrwertsteuer

Die Politik ist seit Monaten bemüht, dem Volk ihr entschlossenes Handeln zu zelebrieren. Was am Anfang sinnvoll war, muss sich aber mit wachsender Dauer einer immer stärkeren Überprüfung unterziehen. Nicht die Lockerungen, sondern die Restriktionen müssen begründet werden. Die Unschuldsvermutung im Strafrecht könnte man in Bayern bei den niedrigen Infektionszahlen durchaus auch für eine Covid-Infektion aufstellen.

Nun soll die App endlich fertig sein. Damit sie wirkt, müssen 60% der Bevölkerung sie installieren und nutzen. Warum sollten sie das tun, wenn es ihnen keinen Nutzen bringt? Die bessere Nachverfolgung ist ein Ziel des Staates, also letztlich von uns allen. Aber für den Einzelnen wäre eine Lockerung abhängig von seinem Infektionsstatus ein wesentlich stärkeres Argument. Daran scheint niemand zu denken. Wird der Datenschutz verletzt, wenn man die existierenden Verpflichtung bei Symptomen oder zurückliegenden kritischen Kontakten nicht zu erscheinen, mit einer App unterstützt?

A propos Denken: Der Unsinn begann, als man die Öffnung der Geschäfte von den Quadratmetern Verkaufsfläche abhängig machte und setzt sich fort indem man Theatern 50 Zuschauer erlaubt, ganz egal wie groß das Theater ist oder Proben für Laienorchester mit Bläsern erlaubt, aber nicht mit Sängern. Es ist wie beim Steuerrecht: Je mehr man regelt, umso mehr Ungerechtigkeiten erzeugt man.

Die Krönung des Unsinns ist nun die Mehrwertsteuerabsenkung. Aus dem ursprünglichen sinnvollen Vorschlag, für die Gastronomie dauerhaft die gleichen niedrigen Sätze zu verlangen, wenn der Kunde sich die Speisen einpacken lässt oder vor Ort verzehrt, wurde ein gigantischer Aufwand für alle Betriebe:

  • Alle Waren müssten neu ausgezeichnet werden
  • Im Buchhandel gibt es aber noch eine Preisbindung, da darf der Rabatt gar nicht weitergegeben werden. Das gleiche Prinzip könnte für alle Betriebe gelten, die nur Bruttopreise angeben, also quasi der gesamte Einzelhandel.
  • Anpassungen der Buchhaltungssoftware und Steuerformulare sind notwendig
  • Daueraufträge müssen zweimal angepasst werden
  • Bei Anzahlungen muss zwischen Teilzahlungen und Abschlagszahlungen unterschieden werden, spannend ist dann die Frage was mit Zahlungen vor dem 1. Juli passieren soll.

“Kann den die Kinder keiner lehren wie man spricht”, sagt Prof. Higgins in dem Musical “My Fair Lady”. Kann denn die Politiker keiner lehren über die Folgen ihres Tuns nachzudenken? Offenbar nicht.